Klassische Ansätze aus der psychologischen Führungsforschung

In der Psychologie gehören Fragen der Führung in den Bereich der Arbeits- & Organisationspsychologie (kurz AO-Psychologie). Beim Lesen psychologischer Fachliteratur kann man sich oft nicht gegen den Eindruck wehren, dass der reduktionistische Ansatz der Psychologie einem so hochkomplexen sozialen Phänomen  wie Führung  nicht gewachsen ist.  Praktikerinnen und Praktiker schütteln über die oft für sie absurden „Erkenntnisse“ und Vorschläge der Psychologinnen und Psychologen berechtigterweise den Kopf. Auf die Ablehnung ihrer "empirischen Erkenntnisse" reagieren diese dann  teils mit völligem Unverständnis.
Tatsächlich muten manche älteren Modelle der Führungsforschung einseitig und anachronistisch, ja schlicht und einfach dumm an. Gerade in den letzten Jahren hat sich der Blick der AO-Psychologie deutlich geweitet und die Kluft zwischen Theorie und Praxis ist wesentlich kleiner geworden. Ganz nach dem Motto des Sozialpsychologen Kurt Lewin, der meint: „Es gibt nichts Praktischeres, als eine gute Theorie." Gerade Kurt Lewin hat einige sehr brauchbare Ansätze in diesem Bereich geliefert.
Wir möchten hier einen kurzen Überblick über Ansätze der klassischen Führungsforschung geben, diese kritisieren, aber auch die Nützlichkeit einiger Teile dieser Ansätze darstellen, denn sie liefern doch die Grundlage für moderne Ansätze wie transformationale Führung und auch für unser Konzept der "Universal Leadership".

Eigenschaftstheorien der Führung
Am Beginn des 20. Jahrhunderts galt das Interesse vor allem den Persönlichkeitseigenschaften des Führers. Diese Eigenschaftstheorien („Trait-Theorien“) basieren auf einem Ansatz, der „Great Man“-Theorie genannt wird. In der Psychologie geht man davon aus, dass Persönlichkeitseigenschaften („traits“) zeitlich recht stabil bleiben, im Extremfall angeboren und unveränderlich sind. Nach dieser Theorie gäbe es also so etwas, wie „geborene Führungskräfte“. Nicht ganz zufällig kamen diese Ansätze nach dem zweiten Weltkrieg etwas außer Mode. Tatsächlich gibt es aber eine ganze Reihe von Belegen, die die Annahme unterstützen, dass es gewisse Persönlichkeitseigenschaften gibt, die positive Auswirkungen auf den Führungserfolg haben.
Dass die Eigenschaften und Fähigkeiten von Führungskräften von hoher Relevanz sind, ist für jede Person, die in einem Führungsverhältnis steht, wohl offensichtlich. Welche Eigenschaft nun genau welchen Effekt hat, ist aber offensichtlich -  außer vielleicht für  Psychologinnen und Psychologen -  nicht mehr ganz so leicht zu beantworten. Dieser Effekt  hängt nämlich auch von vielen „externen“ Faktoren ab.

Verhaltenstheoretische Konzepte
Ebenfalls im 20. Jahrhunderts, besonders in dessen zweiter Hälfte, trieb die Psychologie besondere Blüten. Beim kläglichen Versuch, eine „exakte“ Wissenschaft zu werden, lehnten Psychologinnen und Psychologen, die dem  „Behaviourismus“ anhingen, jede Auseinandersetzung mit innerpsychischen Vorgängen (oder nichtbeobachtbaren Dingen, wie Eigenschaften) strikt ab. Zahlreiche Experimente, die heute als ethisch völlig inakzeptabel gelten würden, waren damals probate Mittel und Wege,  um Beweise zu erlangen, die Thesen des psychologischen Mainstreams stützen. Da gab es Forscher wie Stanley Milgram. Ihm verdanken wir das „Milgram-Experiment“ und damit das Wissen, wie authoritätshörig Menschen sein können, John B. Watson, der seinem eigenen Kind eine Phobie-Reaktion antrainierte, und Burrhus Frederic Skinner, der in,  nach ihm benannten, Kisten, Tiere dressierte und diese Erkenntnisse auf Menschen umlegte. Dieser Forschungsrichtung verdanken wir zwar einige wesentliche Erkenntnisse über spezielles Lernverhalten (Konditionierung), aber auch Ratschläge zu Erziehungsstilen, die eine ganze Generation beeinflussten. So wurde Eltern geraten, nicht auf Schreie ihrer Babys zu hören und mit Zuwendung sehr sparsam umzugehen, da sie Zuwendung  „verweichlichen“ würde. Gewisse Ähnlichkeiten mit Ansichten in der modernen Management-Literatur, nach denen man Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht loben dürfe, haben wohl einen ähnlichen Irrglauben als Basis.
Für Menschen, die sich für Erkenntnistheorie interessieren, bietet dieser Abschnitt ein sehr interessantes Forschungsfeld, begann hier doch ein radikaler Schwenk der Psychologie von einer ideographischen zu einer nomethischen Wissenschaft, also von einer Geistes- zu einer Naturwissenschaft. In großen Bereichen der Sozialwissenschaften ist diese Wende bis zum heutigen Tag prägend. Beim Thema Führung führt dies jedoch zu interessanten Implikationen. So versucht man auch heute vornehmlich noch durch Training, das auf Verhaltensänderung abzielt, die Qualität des Führungsverhaltens zu verbessern. Dabei bleibt aber außer Acht, welche Motivationen, Vorstellungen und Wertesysteme dieses Verhalten begründen.
Wir distanzieren uns von diesem, nach unserer Meinung nach viel zu reduktionistischen, Ansatz.
Innerpsychische Vorgänge, insbesondere Emotionen und den Umgang damit sehen wir als Grundlage von Verhalten an. Lerntheoretische Ansätze greifen hier viel zu kurz.
In den verhaltensorientierten Ansätzen stellen Geführte sowie  Situationen lediglich Randbedingungen dar. Das Verhalten von Führungskräften wird kategorisiert und auf einem einfachen Kontinuum verortet.
Eine der ersten Einteilungen erfolgte durch Lewin und Lippert (1938). Sie unterschieden den autoritären und demokratischen Führungsstil.
Tannenbaum und Schmidt erweiterten diesen Ansatz 1958 zum eindimensionalen Führungsstil-Kontinuum. Darin werden zwischen den Extremen autoritär und demokratisch noch fünf weitere Kategorien eingeführt, nämlich patriarchalisch, beratend, konsultativ, partizipativ und delegativ. Tannenbaum und Schmidt gingen dabei aber keineswegs davon aus, dass ein bestimmtes Verhalten, unabhängig von  Umgebungsvariablen, besser wäre als ein anderes, sondern erkannten, dass gute Führungskräfte diese Stile durchwegs an unterschiedliche Kontexte flexibel anpassten.
Einen weiteren Markstein in der psychologischen Führungsforschung stellten die Ohio-Studien dar. Die aus den Ergebnissen abgeleitete  Unterscheidung in mitarbeiterInnenorientierte und aufgabenorientierte Führung ist heute noch immer Bedeutung hat.
Blake und Mouton entwickelten 1964 aus diesen beiden Dimensionen ein zweidimensionales Verhaltensgitter mit neun Abstufungen auf jeder der beiden Achsen. Sie proklamierten den Typ 9.9 Teammanagement zum besten Führungsstil, bei dem eine maximale Aufgabenorientierung mit einer maximalen MitarbeiterInnenorientierung kombiniert wird.
Eine Erweiterung erfuhr dieses Modell durch Yukl (2006), der die Dimension „Veränderungsorientierung“ hinzufügte, sodass aus dem Gitter ein Würfel wurde. Der 9.9.9 Führungsstil stellt hier wohl das Optimum dar.
Wie aus der Eingangskritik am Mindset des „Behaviourismus“ deutlich wurde, halten wir alle bisher beschriebenen Theorien für die Komplexität des Menschen nicht hinreichend ausreichend.

Situationsorientierte Theorien der Führung
In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts richtete sich das Augenmerk der Forscher zunehmend auf die situativen Merkmale der Führungssituation. Leider geschah dies nicht als Erweiterung bisheriger Zugänge,  sondern nahezu  exklusiv. Es entstanden Theorien., die zunehmend akademisch waren, und wenig praktischen Nutzen für tatsächliche Führungssituationen haben.
Zu diesen Ansätzen gehört die Kontingenztheorie von Fiedler, die je nach „Günstigkeit der Situation“ und einem ermittelten LPC-Wert einen aufgaben- oder mitarbeiterInnenorientierten Führungsstil vorschlägt. Der LPC-Wert ist dabei die Einschätzung der Führungskraft über den „least preferred co-worker“, also kurz gesagt über jenen Mitarbeiter oder jene Mitarbeiterin, mit der die Führungskraft am schlechtesten umgehen kann.
Um die Praxisrelevanz richtig zu würdigen, stellen Sie sich bitte einmal eine Führungssituation in einem Unternehmen vor. Die Führungskraft stellt sich also die Frage, welcher Führungsstil jetzt gerade der sinnvollste wäre. Sie überlegt, wer wohl heute der LPC ist. Danach beurteilt sie die „Günstigkeit“ der Situation nach den Kriterien Machtposition der Führungskraft, Aufgabenstruktur und Beziehung zu den Geführten. Aus der Berechnung geht hervor, dass die Führungskraft in dieser Situation sinnvollerweise heute eher aufgabenorientiert führt. Die Antwort wie das nun konkret aussieht und ob die Führungskraft entsprechend verhaltensflexibel ist, um das umzusetzen, bleiben uns die Autoren schuldig.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich diese Theorien als „praxisuntauglich“ erwiesen haben.
Auch die Entscheidungsprozess-Theorie von Vroom und Yetton, in der die Führungskraft für jede Entscheidungssituation sieben „situationsdiagnostische“ Fragen beantworten muss, um dann am Ende eines Entscheidungsbaumes zu erfahren, ob in dieser Situation besser autoritär zu entscheiden ist oder doch vielleicht irgendwer in die Entscheidungsfindung einbezogen werden sollte, hat sich nicht durchgesetzt.
Der wohl bekannteste Ansatz aus dem Bereich der situationsorientierten Theorien ist das situative Reifegrad-Modell von Hersey und Blachard. Hier steht der „Reifegrad“ der Geführten im Vordergrund. Je nachdem, wie „reif“ Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind, wird einer der folgenden vier  Führungsstile empfohlen: autoritär, integrierend, partizipativ und delegativ.
In der Praxis haben wir festgestellt, dass oft wenig reflektierte Führungskräfte, die aus Mangel an Verhaltensflexibilität meist autoritär führen, ihren Führungsstil damit begründen, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einfach nicht die entsprechende Reife besitzen, umgangssprachlich oft ausgedrückt durch: „Das sind alles Trottel!“

Kontakt
Rufen Sie uns an: +43 (0)1 997 19 19

leadership-akademie

factor happiness - Training & Beratung GmbH
Engerthstraße 126/2
1200 Wien, Österreich

office@factorhappiness.at

Über uns

Die Leadership-Akademie ist ein Projekt der factor happiness Training & Beratungs GmbH.

factor happiness ist Österreichs führendes Trainings- & Beratungsunternehmen für den Themenbereich Glück als Erfolgsfaktor im Unternehmen. Wir machen die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Glücksforschung nutzbar und kombinieren sie mit bewährter Trainings- & Beratungsmethodik.

So finden Sie uns:

map